In Berlin diskutiert die Politik über ein neues Instrument zur Bekämpfung von Diskriminierung. Linke und Grüne fordern die Einführung sogenannter Kontrollquittungen bei Polizeieinsätzen. Diese sollen dokumentieren, warum eine Kontrolle durchgeführt wurde. Während Befürworter darin ein Mittel gegen Racial Profiling sehen, warnen Kritiker vor enormer Bürokratie und hohen Kosten.
Inhaltsverzeichnis:
- Barbara Slowik-Meisel warnt vor wachsender Bürokratie
- Bremen als Beispiel für hohe Kosten
- Tobias Singelstein fordert verpflichtende Ausstellung
- Maisha-Maureen Auma plädiert für mehr Empathie
- Enquetekommission arbeitet an Definitionen
Barbara Slowik-Meisel warnt vor wachsender Bürokratie
In der siebten Sitzung der Enquetekommission „Für gesellschaftlichen Zusammenhalt, gegen Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und jede Form von Diskriminierung“ wurde das Thema intensiv besprochen. Polizeipräsidentin Barbara Slowik-Meisel äußerte erhebliche Bedenken gegenüber den vorgeschlagenen Kontrollquittungen. Ihrer Einschätzung nach könnten sie eine neue Welle von Verwaltungsaufwand auslösen.
Sie betonte, dass es sinnvoller sei, Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu geben, die Dienstnummern von Polizisten zu erfragen. Beschwerden könnten dann über die bekannten Kanäle eingereicht werden. Damit, so Slowik-Meisel, sei bereits ein funktionierender Mechanismus vorhanden, ohne neue Strukturen zu schaffen.
- Zusätzliche Bürokratie könnte den Arbeitsalltag der Polizei erheblich belasten.
- Die Kosten für Anschaffung und Wartung von Geräten sind laut bisherigen Erfahrungen hoch.
- Ein vergleichbares Modell existiert bereits in Bremen und Sachsen – mit gemischten Ergebnissen.
Bremen als Beispiel für hohe Kosten
In Bremen und Sachsen gibt es seit 2020 Kontrollquittungen bei verdachtsunabhängigen Kontrollen – allerdings nur auf Verlangen der betroffenen Person. Die Bilanz ist ernüchternd. Laut Angaben des Bremer Senats wurden in fünf Jahren rund 186.000 Euro ausgegeben. In dieser Zeit wurden lediglich 51 Quittungen ausgestellt.
Das bedeutet: Eine einzelne Quittung kostete durchschnittlich 5.800 Euro. CDU-Politiker Burkard Dregger nannte sogar eine noch höhere Summe. Er sprach von 6.500 Euro pro Quittung, wenn man nur die tatsächlich ausgestellten Dokumente seit 2021 betrachte. Dregger erklärte, dass er darin „keinen Mehrwert“ sehe.
Die Kosten umfassen:
- 100 Druckgeräte und deren Anschaffung,
- Materialkosten,
- jährliche Wartung und Softwarelizenzen.
Bremen dient damit als Beispiel für die finanziellen Herausforderungen, die Berlin bei einer Einführung erwarten könnten.
Tobias Singelstein fordert verpflichtende Ausstellung
Professor Tobias Singelstein von der Goethe-Universität Frankfurt wurde als Experte von der Enquetekommission angehört. Er sieht in den Kontrollquittungen ein wirksames Instrument gegen Racial Profiling. Damit könne Transparenz geschaffen und Vertrauen zwischen Polizei und Bevölkerung gestärkt werden.
Singelstein betonte, dass Racial Profiling eine Form der Diskriminierung sei, bei der Menschen aufgrund äußerer Merkmale häufiger kontrolliert würden. Um das Problem wissenschaftlich untersuchen zu können, fordert er drei Dinge:
- Zugang zu polizeilichen Daten,
- ausreichende finanzielle Mittel,
- Zeit für Forschung.
Er stellte klar, dass Kontrollquittungen nur dann effektiv seien, wenn sie verpflichtend ausgestellt werden müssten und immer eine konkrete Begründung enthielten. Viele Betroffene erlebten Kontrollen als Stigmatisierung oder gar als Gewalterfahrung.
Maisha-Maureen Auma plädiert für mehr Empathie
Professorin Maisha-Maureen Auma, ebenfalls Mitglied der Enquetekommission, unterstützte den Vorschlag. Sie betonte, dass die Quittungen helfen könnten, eine fundierte Datenbasis zu schaffen. Auma stellte die Frage, warum ein so konkreter Vorschlag auf so großen Widerstand stoße.
Sie regte zudem an, dass sich Polizisten in bestimmten Fällen bei Betroffenen entschuldigen sollten, wenn sich diese diskriminiert fühlten. Eine solche Geste könnte das Vertrauen stärken. Polizeipräsidentin Slowik-Meisel widersprach jedoch. Eine Entschuldigung könne als Schuldeingeständnis verstanden werden, was rechtliche Folgen haben könnte.
Enquetekommission arbeitet an Definitionen
Die Enquetekommission besteht seit dem 14. März und beschäftigt sich mit Themen wie Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung. Anders als ständige Ausschüsse soll sie langfristige Handlungsempfehlungen erarbeiten. Bis spätestens Herbst 2026 soll ein Abschlussbericht vorliegen.
Aktuell, so heißt es aus Kommissionskreisen, ringen die Mitglieder um präzise Definitionen zentraler Begriffe wie Rassismus oder Antisemitismus. Erst auf dieser Grundlage könne entschieden werden, ob Kontrollquittungen ein geeignetes Mittel im Kampf gegen Diskriminierung sind.
Die Diskussion um Kontrollquittungen zeigt den Konflikt zwischen Verwaltungsaufwand und gesellschaftlicher Verantwortung. Während die einen Transparenz fordern, warnen andere vor teurer Symbolpolitik. Ob Berlin dem Beispiel Bremens folgt, bleibt vorerst offen.
Quelle: Berliner Zeitung