Messenger-Betrug nimmt zu
Messenger-Betrug nimmt zu, Foto: pixabay

Immer häufiger geraten Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz durch WhatsApp- oder Telegram-Gruppen in die Fänge internationaler Betrügerbanden. Die Täter arbeiten professionell, verändern ständig ihre Maschen und verursachen weltweit Schäden in Milliardenhöhe. Hinter harmlos wirkenden Gruppeneinladungen verbergen sich organisierte Callcenter – oft aus Osteuropa, der Türkei oder Südostasien. Die Global Anti-Scam Alliance (GASA) warnt vor einem der größten Kriminalitätsphänomene unserer Zeit.

Unbekannte Gruppen auf Whatsapp und Telegram

Namen wie FK300, AB132 oder XZ91 verbergen keine Technik, sondern Betrugsstrukturen. Nutzer werden in Gruppen eingeladen, ohne zu wissen, warum. Viele wundern sich: "Kennen wir uns?" oder "Wo bin ich hier gelandet?". Die Antwort folgt schnell – ein Angebot, das zu gut klingt, um wahr zu sein: ein sicherer Investmenttipp oder ein angeblich lukrativer Nebenjob.

Ziel der Gruppen ist es, Vertrauen zu gewinnen. Hinter dem harmlosen Einstieg steckt ein durchdachter Mechanismus:

  • Mehrere echte Nutzer werden gemeinsam in eine Gruppe geladen

  • Einige "Eingeweihte" beantworten Fragen und beruhigen

  • Später folgt ein konkretes Angebot mit hoher Gewinnchance

  • Die Kontaktaufnahme erfolgt oft über gefälschte Profile

Diese Angebote entpuppen sich schnell als Betrug. Die Täter locken mit seriös klingenden Informationen, nutzen jedoch gezielt sogenannte Call-ID-Spoofing-Techniken, um ihre wahre Identität zu verschleiern.

Betrugsschäden in Milliardenhöhe

Laut GASA entstehen weltweit jedes Jahr durch solche Betrugsformen Schäden von über einer Billion US-Dollar. Das ist mehr als doppelt so viel wie der gesamte Umsatz des globalen Drogenhandels.

Geschätzte Verluste durch Scam-Betrug weltweit (2024):

Region/Land Verlust in Mrd. USD Anmerkung
Weltweit >1.000 alle Scam-Formen inkl. Messenger
Deutschland, AT, CH 14 nur durch Trickbetrug
USA Höchster Schaden pro Kopf
Pakistan, Kenia Stärkste Betroffenheit gemessen am BIP

Die Täter nutzen globale Netzwerke mit Standorten in der Türkei, Südostasien, Osteuropa und dem Balkan. Laut Bundeskriminalamt arbeiten dort Menschen in Schichten – rund um die Uhr – für sehr geringe Löhne. Sobald jemand reagiert, übernimmt ein speziell geschulter Betrüger.

Techniken und Ursprung der Anrufe

Betrüger bevorzugen mittlerweile Messenger-Gruppen gegenüber Einzelchats oder SMS. Diese Methode ist effizienter, da viele Personen gleichzeitig erreicht werden können. Sie nutzen oft gefälschte Rufnummern aus den Niederlanden, Großbritannien oder Österreich, obwohl die Anrufe in Wahrheit aus Callcentern in der Türkei oder Asien stammen.

Häufige Ursprungsländer laut Bundeskriminalamt:

  1. Türkei

  2. Serbien und Kosovo

  3. Philippinen

  4. Thailand

  5. Georgien

Ein weiteres Problem ist die Manipulation der angezeigten Rufnummern. Das sogenannte "Call-ID-Spoofing" erschwert die Verfolgung erheblich. In Deutschland ist dafür die Bundesnetzagentur zuständig.

Behörden im Einsatz gegen Rufnummernbetrug

Im Jahr 2024 verzeichnete die Bundesnetzagentur 154.624 schriftliche Beschwerden zum Thema Rufnummernmissbrauch – ein Anstieg um acht Prozent. Dazu zählen belästigende Anrufe, Rufnummernmanipulation sowie unerwünschte Nachrichten über SMS und Messenger. Die Behörde kann Rufnummern abschalten und warnen, doch Täter weichen schnell auf neue Nummern aus.

Ein besonders häufiger Trick: Der digitale Enkeltrick. Seit 2023 verlagern sich klassische Betrugsformen zunehmend ins Netz. Opfer erhalten Nachrichten, angeblich von Verwandten, in Notlagen. Dabei werden Gefühle gezielt ausgenutzt, um Geld zu erpressen.

Warnungen der Verbraucherzentralen

Michèle Scherer von der Verbraucherzentrale Brandenburg und Lisa Zehmisch von der Verbraucherzentrale Berlin berichten von einem Anstieg automatisierter Gespräche. Betrüger setzen vermehrt auf KI-basierte Sprachnachrichten oder Tonbandaufnahmen, um Menschen zu manipulieren.

Wichtige Verhaltensregeln bei unbekannten Kontakten:

  • Nicht antworten, wenn der Kontakt verdächtig wirkt

  • Sofort auflegen, bei seltsamen Anrufen

  • Keine Daten preisgeben, auch nicht auf einfache Fragen

  • Verwandte direkt kontaktieren, bei angeblichen Notfällen

  • Anzeige erstatten, bei Betrugsverdacht

Oft reicht ein einfaches „Ja“ als Antwort auf harmlose Fragen – dieses kann später missbräuchlich verwendet werden.

Aufklärung schwierig, Dunkelziffer hoch

Weltweit meldet laut GASA nur rund ein Drittel der Opfer einen Betrugsfall bei der Polizei. Die Aufklärungsrate ist gering, vor allem bei Taten mit Ursprung im Ausland. Während inländische Fälle zu über 50 % geklärt werden, liegt die Quote bei Auslandstaten unter 5 %.

Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) zu Betrugsdelikten:

Jahr Betrugsdelikte Inland Betrugsdelikte Ausland Bemerkung
2020 65.000 12.000 Anstieg bei Auslandstaten beginnt
2023 48.000 28.000 Höchststand Ausland
2024 45.000 25.000 Rückgang Inland, Ausland bleibt hoch

Die Polizei warnt: Betrug entwickelt sich zu einem facettenreichen Massendelikt. Besonders Messenger-Betrug nimmt rasant zu. Dennoch bleibt E-Mail-Betrug in Deutschland aktuell noch der häufigste Betrugsweg.

Internationale Zusammenarbeit nötig

Die Komplexität dieser globalen Kriminalitätsstruktur erfordert internationale Zusammenarbeit. Behörden, Verbraucherzentralen und Organisationen wie GASA fordern:

  • Mehr Befugnisse für Regulierungsbehörden

  • Bessere grenzüberschreitende Zusammenarbeit

  • Technologische Lösungen zur Rufnummernprüfung

  • Intensivere Aufklärungskampagnen für Verbraucher

Solange Täter im Ausland nahezu ungestört agieren können, wird sich das Problem nicht vollständig eindämmen lassen. Dennoch sind nationale Maßnahmen wichtig, um Verbraucher frühzeitig zu schützen.

Messenger-Betrug entwickelt sich zu einem hochprofitablen Geschäft mit globaler Infrastruktur. Die Täter gehen professionell vor, passen ihre Methoden laufend an und verursachen weltweit Milliardenschäden. Deutschland zählt zwar zu den Ländern mit vergleichsweise geringem Schaden, doch auch hier wächst die Gefahr. Behörden und Verbraucherschützer raten zur erhöhten Vorsicht – insbesondere bei Angeboten, die zu gut klingen, um wahr zu sein.

Quelle: Tagesschau