Das Ankunftszentrum auf dem ehemaligen Flughafen Tegel steht kurz vor seiner endgültigen Schließung. Die Einrichtung, die in den letzten Jahren als „Deutschlands schlechteste und teuerste Flüchtlingsunterkunft“ bezeichnet wurde, verzeichnet inzwischen einen deutlichen Rückgang der Bewohnerzahlen. Politische Kontroversen, hohe Betriebskosten und neue Unterbringungsstrategien führen nun zum Abbau der Leichtbauhallen.
Inhaltsverzeichnis:
- Weniger Geflüchtete aus der Ukraine und anderen Ländern
- Entstehung einer Kleinstadt aus Leichtbauhallen
- Politischer Streit um die Nutzung von Tegel
- Hohe Kosten und Untersuchung durch den Landesrechnungshof
- Rolle der Messe Berlin und Rechtfertigung
- Rückbau und neue Planung für Tegel
Weniger Geflüchtete aus der Ukraine und anderen Ländern
Seit Beginn des Jahres 2025 sind knapp 3.000 Menschen aus der Ukraine in Berlin angekommen. Das sind rund 2.000 weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Auch die Zahl der Asylsuchenden aus anderen Ländern ist um nahezu 40 Prozent gesunken.
Berlin hat inzwischen ausreichend Unterkünfte geschaffen. Damit ist das teure Provisorium in Tegel, das ursprünglich für eine Notlage errichtet wurde, nicht mehr notwendig. Projektleiterin Kleopatra Tümmler vom Deutschen Roten Kreuz erklärt, dass erstmals eine komplette Halle ausschließlich für Frauen zur Verfügung steht. Diese neue Struktur sei bei voller Belegung in den Vorjahren nicht umsetzbar gewesen.
Wichtige Kennzahlen zur aktuellen Belegung
- Spitzenbelegung 2022: ca. 5.500 Personen
- Derzeitige Belegung: knapp 2.000 Personen
- Rückgang aus der Ukraine: - 40 % im Vergleich zum Vorjahr
- Geplante Kapazität nach Umbau: 2.600 Plätze
Entstehung einer Kleinstadt aus Leichtbauhallen
Im Frühjahr 2022 entstand in Tegel innerhalb weniger Tage eine provisorische Stadt aus Leichtbauhallen. Diese war zunächst für Registrierung und Verteilung der Geflüchteten vorgesehen. Aufgrund des Widerstands gegen kleinere, dezentrale Unterkünfte in Berliner Stadtteilen entwickelte sich der Standort jedoch schnell zu einer regulären Massenunterkunft.
Die Wohnbereiche bestanden aus „Wohnwaben“ – Schlafabteilen aus Trennwänden ohne feste Türen. Viele Bewohner lebten dort monatelang. Kritiker bemängelten die Enge, den Lärm und die fehlende Privatsphäre. Dennoch betont Tümmler die Vorteile: warme Mahlzeiten, medizinische Betreuung, Hilfsangebote und soziale Dienste. Einige Bewohner hätten sich so an den Standort gewöhnt, dass sie nicht ausziehen wollten oder später zurückkehrten.
Politischer Streit um die Nutzung von Tegel
Die Nutzung des ehemaligen Flughafens führte zu heftigen politischen Auseinandersetzungen. CDU-Fraktionschef Dirk Stettner forderte eine Erweiterung der Anlage, sogar um einen Abschiebegewahrsam. SPD-Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe sprach sich dagegen aus und setzte auf kleinere Unterkünfte in der Stadt.
Am Ende lebten in Tegel über Monate hinweg mehr als 5.000 Menschen – unter Bedingungen, die von Hilfsorganisationen und Anwohnern kritisiert wurden. LAF-Präsident Peer Junge betont dennoch, dass Berlin ohne Tegel nicht in der Lage gewesen wäre, die Ankunft der vielen Geflüchteten zu bewältigen.
Hohe Kosten und Untersuchung durch den Landesrechnungshof
Die Betriebskosten für Tegel lagen lange Zeit bei über 1 Million Euro pro Tag. Der „Tagesspiegel“ berichtete, dass der Landesrechnungshof die Verträge für den Betrieb prüft. Besonders die hohen Ausgaben für Sicherheitsdienste stehen im Mittelpunkt.
Kritikpunkte an den Ausgaben
- 15 % Aufschlag auf Sicherheitsleistungen – später auf 9 % gesenkt
- Fehlende frühzeitige Ausschreibung von Aufträgen
- Beteiligung der Messe Berlin ohne direkten Bezug zum Kerngeschäft
- Kurzzeitverträge, die langfristige Planungen erschwerten
Der SPD-Politiker Jörg Stroedter kritisierte, dass Sicherheitsaufträge nicht rechtzeitig öffentlich ausgeschrieben wurden. Vertreter der Grünen und Linken sprechen von einer Verschwendung öffentlicher Gelder.
Rolle der Messe Berlin und Rechtfertigung
Die Messe Berlin wurde im Februar 2022 als Betreiber eingesetzt, da sie Erfahrung mit Immobilienprojekten am Standort TXL hatte. Laut Messe wurden durch Prozessoptimierungen und Nachverhandlungen mit Zulieferern Einsparungen im mittleren zweistelligen Millionenbereich erzielt. Die Aufschläge seien notwendig gewesen, um zusätzliche Kosten zu decken.
Die Zusammenarbeit mit der Messe sei laut LAF-Präsident Peer Junge stets konstruktiv gewesen. Dennoch zieht sich das landeseigene Unternehmen nun aus Tegel zurück. Mitte Juli 2025 teilte die Messe mit, dass sie keine weiteren Aufträge für den Standort übernehmen werde.
Rückbau und neue Planung für Tegel
Nach dem Auszug der letzten Bewohner werden die Leichtbauhallen vollständig abgebaut. Geplant ist ein Containerdorf mit 2.600 Plätzen, ähnlich der Unterkunft auf dem Tempelhofer Feld.
Geplante Funktionen der neuen Anlage
- Registrierung neu ankommender Personen
- Verteilung innerhalb von 72 bis maximal 96 Stunden
- Keine dauerhafte Unterbringung mehr
- Entlastung anderer Unterkünfte in Berlin
Dieses Konzept entspricht der ursprünglichen Planung aus dem Frühjahr 2022. Ob es dabei bleibt, ist jedoch ungewiss. Ein plötzlicher Anstieg der Flüchtlingszahlen könnte zu einer erneuten Änderung der Pläne führen.
Quelle: RBB24